Lesepredigt zum Mitnehmen
9. Mai 2021
Predigt: Jeremia 29,11
Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe,
spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides,
dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.
Es ist so eine Sache mit den Gedanken: beim Autofahren, beim Duschen, abends oder morgens vor oder nach dem Schlafen gehen meine Gedanken gerne auf Wanderschaft, oft ohne Sinn und Ziel. Manchmal tauchen Sätze oder Situationen aus Gesprächen auf, manchmal Lied- oder Bibelverse, manchmal Erinnerungen an vergangene Ereignisse oder Listen, was zu tun ist.
Doch öfter in letzter Zeit kreisen meine Gedanken um diese Corona-Situation: Ich denke daran, dass für viele noch kein Impfangebot zur Verfügung steht, obwohl das Tempo der Impfungen in den letzten Wochen deutlich zugenommen hat. Oder an die Uneinigkeit über Maßnahmen der Politik zur Öffnung für Geimpfte oder negativ Getestete. Oder an die Kritik am Vorgehen der Regierung, die lauter wird, aber zu großen Teilen wohl dem Wahlkampf geschuldet ist. Es tauchen Bilder aus Indien und dem Leid der Menschen sowie dem überforderten Gesundheitssystem dort in meinen Gedanken auf. Ich denke an die angespannte Situation auf den Intensivstationen und das unermüdliche Pflegepersonal in unserem Land. Ich denke an Gespräche mit Jugendlichen, Eltern und Familien sowie mit Lehrer*innen, deren Belastungen groß sind und deren Nervenkostüm strapaziert ist. Diese und noch viel mehr Gedanken rund um Corona kreisen in meinem Kopf.
Nach mehr als einem Jahr Corona-Pandemie sind wir desillusioniert und müde, sehen die Notwendigkeit der Maßnahmen, aber die Einschränkungen fallen uns immer schwerer. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass dieses Virus uns ein Jahr später immer noch so bestimmen und einschränken würde. Und so kehren die Gedanken immer wieder zu diesem Thema zurück.
Es ist so eine Sache mit den Gedanken.
Und dann lese ich beim Propheten Jeremia: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“
Was für ein Hoffnungssatz, den viele Menschen zur Zeit Jeremias mehr als nötig hatten. Denn Israel wurde vom persischen König Nebukadnezar bedroht, Jerusalem durch seine Truppen zerstört, Menschen nach Babylon ins Exil gebracht. Und in dieser katastrophalen Situation redet Jeremia von Gottes Gedanken des Friedens, der Zukunft und Hoffnung für Israel, während das Land Krieg und Zerstörung erlebt. Jeremia predigt von Gottes gutem Plan für die Menschen, während die Leute um ihn herum ängstlich und traurig waren, manche auch wütend und verzagt. Viele Menschen sahen in der Katastrophe, die Israel heimsuchte, eine Strafe Gottes. Und nicht wenige zweifelten an Gott und seinem Heilsversprechen für Israel und seine Menschen.
„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“
Was für ein Hoffnungssatz, den auch wir heute bitter nötig haben: Gottes Plan für uns, für unser Leben ist Frieden, die Perspektive Zukunft und Hoffnung. Was für ein tröstlicher Satz – gerade jetzt, zu Beginn des zweiten Jahres der Corona-Pandemie, die uns alle ermüdet und belastet. Da tut es gut zu hören und zu lesen, dass Gottes Gedanken auf die Zukunft gerichtet sind. Und diese Zukunft kann schon im Hier und Jetzt beginnen, schon heute sind Zeichen von Hoffnung und Frieden in unserem Leben sichtbar.
Allerdings ist unsere Wahrnehmung oft auf das gerichtet, was nicht gut läuft, was uns belastet, was uns das Leben schwer macht. Und da hilft es, mal die Perspektive zu verändern. Das ist aber gar nicht so einfach, auch wenn man sich fest vorgenommen habe, auf das Gute, das Hoffnungsvolle zu schauen.
Und da kommen wir zu den Perlen, in dem kleinen Säckchen, das sie sich hoffentlich mit der Lesepredigt mitgenommen haben. (Für alle Menschen, die diese Predigt online lesen, fängt jetzt der kreative Teil an: schauen Sie doch mal, ob sie ein paar Holzperlen in einer Schublade liegen haben, ersatzweise kann man auch Büroklammern oder trockene Erbsen aus dem Vorratsschrank nehmen)
In diesem Säckchen oder Beutel sind einige bunte Holzperlen. Und diese Perlen haben mit der Perspektivänderung zu tun: Ich habe mir angewöhnt, eine kleine Handvoll Perlen in meine linke Hosentasche zu stecken. Und jedes Mal, wenn mir etwas Gutes passiert, ich mich über etwas freue oder etwas Hoffnungsvolles wahrnehme, stecke ich eine Perle von der linken in die rechte Hosentasche. Die Anlässe können ganz unterschiedlich sein: ein Sonnenstrahl, der durch die Wolken bricht; ein Mittagessen, an dem mal keiner rummeckert; eine Whatsapp-Nachricht, die mich schmunzeln lässt; ein kleiner Plausch mit der Nachbarin über den Gartenzaun; eine Tageslosung, die mich bewegt … Für jedes Ereignis, das mir positive Gedanken beschert, wandert eine Perle von links nach rechts.
Ich habe diese Idee aus meiner Supervisionsgruppe und dieses Experiment mit den Perlen auch schon ausprobiert. Und ich war doch erstaunt, wie viele Perlen sich am Abend in der rechten Hosentasche befinden. Und abends auf den Boden kullern, wenn die Hose ausgezogen wird, bevor die Perlen wieder aus den Hosentaschen entfernt wurden. (Deswegen habe ich meine Perlen inzwischen auf ein Gummiband gezogen und verschiebe nur den Knoten von rechts nach links.) Bei jeder Perle, die sich in meiner rechten Hosentasche befand, überlegte ich am Abend: Was war dieser Moment, der für mich so kostbar war, dass eine Perle ihren Weg in die andere Hosentasche fand? Und so richteten sich meine Gedanken kurz vor dem Einschlafen auf das Positive, das mir an diesem Tag begegnete.
Natürlich kann man seine Wahrnehmung auch auf anderem Wege verändern – ohne Perlen: meinen Konfis habe ich vorgeschlagen, bei jeder kleinen Freude sich selbst ein Smiley zu schicken, das kann man sogar noch mit einem Stichwort verbinden, dann fällt das Erinnern leichter. Eine Konfirmandin hat immer, wenn ihr etwas Gutes passierte, einer Freundin einen Smiley mit Stichwort geschickt und die Freundin ihr. Abends haben die beiden dann telefoniert und sich gegenseitig von ihren guten Erlebnissen erzählt und viel gelacht. Oder man kann abends in einem Tagebuch festhalten, was einen gefreut hat, was Hoffnung gegeben hat. Denn ich musste bei meinem Perlenexperiment feststellen, dass ich mich an einige kleine Freuden- und Hoffnungsperlen gar nicht mehr erinnern konnte. Und doch sind sie da, die Zeichen der Hoffnung. Wir müssen sie nur wahrnehmen.
Vielleicht kann Ihnen diese kleine Übung helfen, den Alltag mit anderen Augen wahrzunehmen. Und uns daran erinnern, dass Gott eine gute Zukunft voller Hoffnung und Frieden für uns bereithält – und das nicht erst in ferner Zukunft, sondern schon Jetzt und Hier:
„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“
Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen,
Ihre Pastorin Ulrike Kobbe
