Lesepredigt zum Mitnehmen
16. Mai 2021
Predigt zu Jesu Himmelfahrt: Apostelgeschichte 1,9-11
Während Jesus das sagte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben. Eine Wolke nahm ihn auf, sodass sie ihn nicht mehr sehen konnten. Als sie noch wie gebannt nach oben starrten und hinter ihm hersahen, standen plötzlich zwei weiß gekleidete Männer neben ihnen. »Ihr Galiläer«, sagten sie, »warum steht ihr hier und schaut nach oben? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird auf dieselbe Weise wiederkommen, wie ihr ihn habt weggehen sehen!«.
Liebe Gemeinde,
Vierzig Tage nach Ostern feiern wir Christi Himmelfahrt. Die Bibel erzählt, dass es in der Zeit nach dem Ostersonntag noch viele Begegnungen gab – zwischen Jesus, dem Auferstandenen, seinen Jüngerinnen und Jüngern. Jesus war auferstanden von den Toten, die Jünger*innen haben ihn gesehen, konnten nochmal mit ihm sprechen und gemeinsam essen: es war fast wie früher, so als wäre er nie gestorben.
Aber dann stehen sie und schauen in den Himmel. Sie recken die Hälse in die Luft. Bis eben war Jesus ganz nah, jetzt ist er – entrückt, in den Himmel aufgefahren, er sitzt zur Rechten Gottes.
Wenn Kinder in der Grundschule ein Bild dazu malen oder wir uns mittelalterliche Bilder oder Fresken anschauen, dann kann man sehen, wie die Gestalt Jesu in der Wolke verschwindet – die Füße gucken unten noch ein bisschen heraus. Und die Jünger schauen in den Himmel.

Jesus ist fort, und wir hoffen auf seine Wiederkehr vom Himmel auf die Erde, wie er es versprochen hat. Zusammen mit den Jüngern halten wir Ausschau nach ihm und schauen in den Himmel, den „Aufenthaltsort“ Gottes.
Der Blick in den Himmel ist ein Gebet, er ist Hoffnung und Hilferuf. Er ist Ausrichten auf eine andere Wirklichkeit. „Vater unser im Himmel“, so beten wir. Und schauen hoch, so als wäre er dort, weit weg von uns, unseren Problemen, Sorgen und Freuden. Weit weg von unserem Alltag in der Corona-Pandemie, der uns erschöpft und frustriert. Und so geht unser Blick hoffnungsvoll zum Himmel zu Gott und wir bitten um Hilfe und Beistand.
Von einem jüdischen Lehrer, einem Rabbi, ging die Sage um, dass er jeden Morgen vor dem Frühgebet - zum Himmel aufsteige. Ein Gegner lachte darüber und legte sich vor Morgengrauen auf die Lauer. Da sah er, wie der Rabbi als Holzknecht verkleidet sein Haus verließ und in den Wald ging. Der Gegner folgte von weitem. Er sah den Rabbi Holz fällen und in Stücke hacken. Dann lud er sich die Holzstücke auf den Rücken und schleppte sie in das Haus einer armen, kranken, alten Frau. Der Gegner schaute durch das Fenster und sah den Rabbi auf dem Boden knien und den Ofen anzünden. Als die Leute später den Gegner fragten, was es denn nun auf sich habe mit der täglichen Himmelfahrt des Rabbi, sagte er: „Er steigt noch höher als bis zum Himmel."
Die Geschichte will sagen, dass der Himmel nicht ein Ort ist, der irgendwo über der Erde im Weltall zu finden ist und wo Gott auf einer Wolke sitzt und die Geschicke der Welt lenkt. Der Himmel ist vielmehr dort, wo Menschen Gutes tun, wo sie einander helfen. Der Rabbi hat durch sein helfendes Handeln den Himmel geerdet. Oder anders gesagt: Der Himmel ist dort, wo Menschen gemeinsam an einer besseren Zukunft im Sinne Gottes arbeiten. Durch das ganz konkrete Tun des Rabbis ist schon hier und jetzt der Himmel auf Erden gekommen.
„Warum schaut ihr nach oben?“, fragen die weiß gekleideten Männer, wahrscheinlich Engel und Boten Gottes. Und sie fahren fort: Jesus wird wiederkommen, wie er es gesagt hat. Deswegen: schaut nicht nach oben, denn der Blick in den Himmel hält euch vom Leben im Hier und Jetzt ab. Geht in die Welt, verkündigt das Evangelium und bringt die gute Botschaft zu den Menschen, so dass der Himmel auf die Erde kommt. Baut an einer guten Zukunft mit, bis eines Tages Jesus wiederkommt. Aber solange schaut nicht in den Himmel, sondern schaut euch um und handelt in Gottes Sinne.
Der Blick geht also nicht mehr nach oben. Stattdessen lassen wir den Blick über die Erde schweifen und schauen, wo wir anpacken können, dass unsere Welt ein besserer Ort und der Himmel auf die Erde geholt wird. Und da bietet unsere jetzige Situation viele Möglichkeiten: Gerade in der Zeit der Beschränkungen durch die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie vereinsamen Menschen – und nicht nur weit weg, sondern direkt nebenan. Ein freundlicher Gruß oder ein Lächeln kann eine Brücke sein, ins Gespräch zu kommen. Konkrete Nachbarschaftshilfe beim Einkaufen bietet unsere Einkaufshilfe, ein Dienst der evangelischen Gemeinde. Und Mitarbeitende, die ihre Gaben und Talente in den Dienst der Gemeinde stellen, werden auch und gerade in Corona-Zeiten immer gebraucht.
Doch es gibt noch viele Möglichkeiten mehr, den Himmel auf die Erde zu holen, entweder aktiv oder passiv: z.B. durch eine Spende oder die Verbreitung von Informationen, denn durch die Corona-Pandemie sind vielen Hilfsorganisationen dringend benötigte Spendengelder weggefallen. Die Lage der Flüchtlinge in den verschiedenen Krisenregionen der Welt ist prekär. Der Klimawandel fordert von jedem einzelnen ein Umdenken und Mitmachen. Integration ist eine wichtige Aufgabe der Gesellschaft und gelingt nur, wo wir aufeinander zugehen und einander kennenlernen. Und die sozialen Ungleichheiten können nur durch Solidarität und gemeinsames Anpacken aufgefangen werden. Es gibt so vieles, wo wir den Himmel auf die Erde holen können.
Ja, manchmal wäre es leichter in den Himmel zu schauen und die Missstände und Not, die Sorgen und Ängste der Menschen zu ignorieren. (Das ist übrigens ein Vorwurf, der den Christ*innen immer wieder gemacht wird, dass sie nur auf das Jenseits schauen, hoffen und glauben und die Gegenwart vernachlässigen.) Doch diesen Blick nur nach oben lässt Jesus Christus nicht zu. Denn er wird eines Tages wiederkommen in unsere Welt, zu uns, in unseren Alltag. Hier und heute sind wir gefragt hinzuschauen und mitzubauen an einer guten Zukunft für alle. Hier und Jetzt können wir hören und sehen, sprechen und tun, damit diese Welt ein Stück Himmel auf Erden wird. Viel Freude beim Mitgestalten!
Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen,
Ihre Pastorin Ulrike Kobbe
