Sonntag Rogate, 17. Mai 2020

Wochenspruch: Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. Psalm 66, 20

Predigttext Matthäus 7, 7.8.
Jesus Christus spricht: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. 


Liebe Gemeinde,
beten kann man auf verschiedene Weise: Da gibt es das vorformulierte Gebet wie das Vaterunser oder das immer gleiche Abendgebet oder das Gebet, das man mit eigenen Worten formuliert.
Der kurze Dank beim Fahrradfahren („Danke, Gott, für das tolle Wetter“) oder der Stoßseufzer nach der schlimmen Diagnose („Herr hilf mir jetzt…“) sind Gebete. Auch das in Gedanken gesprochene Bittgebet vor dem Fernseher für die Flüchtlinge auf Lesbos, die uns in den Nachrichten gezeigt werden ist ein Gebet. Es gibt viele Formen zu beten: Im Stehen, im Sitzen, im Liegen. Mit oder ohne gefalteten Händen; mit offenen oder geschlossenen Augen, laut oder leise. 
Entscheidend ist, dass das Gebet einen Empfänger hat, ein Du, ein Gegenüber, Gott.
Das Gebet ist an ihn gerichtet.
Unser Gebet bleibt nicht ungehört. Jesus sprach davon, dass Gott unsere Gebete erhört. Er sagte „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan (Matthäus 7, 7ff.)“. 
Wenn man über diese Worte nachdenkt, dann fallen einem Situationen ein, von denen man sagt: Hier hat Gott mein Gebet erhört. Hier bin ich von ihm begleitet und geführt worden. Hier haben sich in meinem Leben Wege eröffnet und andere Wege wurden mir verschlossen. Hier bin ich bewahrt worden. 
Ich denke an das Ehepaar, dessen Kleinkind vom Hochbett auf den Kopf gefallen war. Ohnmächtig lag es auf dem Boden. Es war nicht ansprechbar. Mit dem Notarztwagen wurde es in ein Krankenhaus gefahren. Während die Ärzte das Kind untersuchten, warteten die Eltern vor dem Untersuchungsraum. Sie selbst konnten nichts für ihr Kind tun – nur noch beten. Und sie beteten um die Gesundung des Kindes. Und tatsächlich, das Kind wurde nach einiger Zeit wieder vollständig gesund. Für die Eltern war das eine Erhörung ihres Gebetes.
Ich denke an Menschen, die davon erzählen, wie sie eine schwere Situation mit großem Schmerz "durchbetet" haben. 
Ich denke an Menschen, die erlebt haben, wie sie durch das Gebet vor Schlimmen bewahrt wurden, die erlebt haben, dass das Gebet sie getragen hat. Es gibt die Erlebnisse, dass unser Klopfen von Gott beantwortet wurde, dass man Klarheit bekam, dass sich Türen geöffnet haben und wir empfangen haben. Wir können nur dankbar davon sprechen, wie Gott Gebete hört und erhört hat. 

Aber, und das muss man an dieser Stelle auch sagen, es gibt auch das andere: Das dumpfe und trostlose Gefühl, dass das Gebet nur bis zur Zimmerdecke geht.  Da spürt man kein Du, keinen Gott. Da bekommt man keine Antwort. Da verändert sich auch nichts zum Guten. Da fühlt man sich leer.
Besonders jetzt in dieser Zeit der Corona-Pandemie fühlen sich Familien mit Kinder alleine gelassen mit ihren Problemen. Wo hilft denn da jetzt das Gebet?
Ich denke auch an die zweiundvierzigjährige Mutter, die schwer an Krebs erkrankte. Es wurde für sie gebetet und trotzdem verstarb sie und ließ ihre beiden Kinder und ihren Ehemann zurück. 
Vieles, was zweifellos gut für uns wäre - wie Frieden zwischen den Völkern und Ideologien, geglückte menschliche Beziehung zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern, Vermeidung von Machtmissbrauch und Ungerechtigkeit oder Heilung erhalten wir anscheinend nicht, auch wenn wir es inständig erbitten. 
Beten wir etwa nicht richtig, vielleicht nicht inständig genug, nicht beharrlich genug?  
Oder hört Gott etwa nicht? 
Gott ist nicht gemein. Er legt uns nicht rein. 
Aber er ist auch kein „Glücksautomat“, der unsere Wünsche erfüllt. Gott ist der, auf den wir uns verlassen können. Er bringt uns ans Ziel.
Er führt uns zu sich hin.
Gott segnet. Nicht, dass wir von Leid und Not verschont bleiben, nicht, dass wir nicht auch Schweres durchmachen müssen, aber über unserem Leben liegt ein Glanz, ein Leuchten, das „Ja“ Gottes.  
Er bewahrt. Manchmal bekommen wir das gar nicht mit. 
Er gibt anders, als wir uns das denken. 
Selbst die Zeit des Schweigens Gottes, selbst die Zeit, wo unsere Gebete scheinbar nur bis zur Zimmerdecke gehen, kann manchmal eine Zeit sein, in der wir zu einem neuen Verstehen und Verständnis kommen. Jemand sagte: Ich musste durch dieses Schwere, über die Grenzen meiner Kräfte gehende hindurch, um zu reifen und in meinem Leben weiter zu kommen." 
Trotzdem bleibt das Unverständliche, es bleiben Fragen. Und manches in unserem Leben ist tragisch und nicht zu verstehen.
Es geht darum, trotz allem an Gott festzuhalten, egal was kommt und andererseits unsere Kraft und unsere Gaben zu nutzen für das, was wir selbst ändern oder auch gestalten können. 
Gott wird uns dazu ausrüsten. 
Er sagt uns zu, dass er uns begleitet und wir nicht tiefer fallen können als in seine Hände.
Er schenkt uns seinen Geist – Wandlungskraft, eine verändernde Kraft, eine erneuernde Energie. 
Gott schenkt uns Heiligen Geist, einen festen Grund der uns trägt, durch was auch immer wir hindurchmüssen. 
Mein Leben mit allen Fragen, allen Hoffnungen, allem Gelingen und aller Enttäuschung ist aufgehoben in Gott.
Darum: bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. 
Er hört uns und füllt uns mit seinem Geist. Amen.

Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.


Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen   

Ihr 
Pfarrer Ernst Schmidt