Predigt am 20. 9. 2020

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde,
im letzten Gottesdienst, den ich hier mir Ihnen feiern durfte, habe ich von einem soeben begangenen Feiertag in der katholischen Kirche berichtet. Heute möchte ich von einem bald anstehenden Feiertag berichten, der auch in Teilen der Evangelischen Kirche begangen wird: Dem Michaelistag, der an den Erzengel Michael erinnert.
Ohne Engel wären wir verloren, liebe Gemeinde. Das sage ich zunächst einmal ganz allgemein. Ohne Engel kein Leben.
Von Engeln sprechen sogar die Menschen, die sonst von Gott nichts wissen wollen, die mit Glaube und Kirche nicht viel oder gar nichts zu tun haben. Das klingt paradox, ist aber Realität.
Engel als Weihnachtsschmuck, nur weil sie dazu gehören. Oder Engel als Souvenirs, weil sie schön anzusehen sind und in der Hand so angenehm warm werden. Und es gibt Menschen, die nicht an Gott, aber an Engel glauben.
Engel ohne Glaube klingt vielleicht zwar etwas unlogisch, weil Engel ja Gottes Boten und Helfer sind, aber Glaube und Logik passen auch nicht immer zusammen. Etwas drastisch könnte man sagen: Engel sind das, was manchmal von Gott noch übrig geblieben ist in einer von Menschen bestimmten Welt. Gott ist schwer vorstellbar oder unvorstellbar; Engel aber schon. Ohne Engel kein Leben. Das wissen Menschen, die zugleich wissen, wie bedürftig sie sind und wie angewiesen auf Hilfe.
Bei der Trauerfeier im Kölner Dom für die Verstorbenen nach der GermanWings-Katastrophe haben wir von der Notfallseesorge allen Angehörigen den Engel von Pskow auf dem Platz gelegt. Alle haben ihn genommen, Christen, Muslime, Glaubensferne und auch Atheisten. Die Nachfrage war groß – der Engel auf meinem Platz war, nachdem ich von einem kurzen Einsatz zurückkam, nicht mehr da.
Engel sind die, die unser Dasein zu einem Leben machen, das sich zu leben lohnt. Auch Jesus wusste von ihnen.
Für Jesus spielten Engel eine wichtige Rolle zwischen Himmel und Erde. Auch bei ihm ist nie so ganz klar, ob er für uns ganz fremde Wesen meinte, die im Auftrag Gottes handeln – oder ob er einfach Menschen meinte, die den Ruf Gottes verstanden hatten und als Helfer und Helferinnen unterwegs waren. Zum Beispiel seine Jüngerinnen und Jünger. Die schickte er aus, um die gute Nachricht Gottes zu verbreiten. Sie sollten von Ort zu Ort ziehen und von Haus zu Haus; sie sollten anklopfen und von Gott erzählen, dass Gott Menschen liebt und Menschen um Liebe bittet. Manche öffneten ihre Tür und ließen die Jünger Jesu ein, manche schlugen auch die Tür gleich wieder zu und sagten: Lasst uns in Ruhe. Wir lesen in der Bibel, dass die Jünger Jesu – es sollen zweiundsiebzig gewesen sein – mit Eifer bei der Sache waren und Jesu Auftrag erfüllten. Es gab also noch mehr Helfer und Helferinnen als nur die zwölf engsten.
Von einer Begebenheit berichte Lukas im 10. Kapitel:
„Die Zweiundsiebzig aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die Dämonen sind uns untertan in deinem Namen. Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz.
Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden. Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“
Das klingt, als könnten die Helfer Jesu wie Engel sein - selbst Dämonen, also eher bösere Geister, sind ihnen untertan. Das kommt Jesus gerade recht. Darum stellt er fest: Ihr habt Macht; wer Gottes Willen tut, hat Macht. Die Macht der Liebe gegen die Macht des Bösen, gegen Schlangen und Skorpione. Nichts wird euch etwas anhaben können; selbst die bösesten Geister sind euch untertan. Und dann stellt Jesus noch fest: Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.
Natürlich freut das. Gibt es etwas Schöneres, als im Himmel geschrieben zu sein, in welchem Buch oder an welcher Wolkenwand auch immer? Wen der Himmel kennt, der hat auf Erden gut leben.
Engel zeigen Gottes Macht der Liebe. Das ist gut zu wissen. Wer einen Engel erlebt – auf welche Weise auch immer – erlebt etwas von der Macht der Liebe. Das ist nicht immer sofort und nicht immer eindeutig zu erkennen, aber es ist so, sagt Jesus. Liebe ist ja nicht immer freundlich und erfüllt oft nicht unsere Wünsche; Engel auch nicht. Gott erleben wir nicht immer als gütig oder als den, der nach unseren Wünschen handelt. Das weiß auch Jesus. Er weiß aber zugleich auch, dass Gott Liebe ist und Liebe uns nichts Böses will, selbst wenn uns etwas als eher böse erscheint.
Das ist, liebe Gemeinde, ein sehr schwieriges Thema und zugleich ein sehr wichtiges Thema, das viele Menschen immer wieder umtreibt: Gehört auch das zu Gottes Liebe, was wir so gar nicht als liebevoll empfinden? Ist es wirklich noch Gottes Güte, was wir eher als zornig oder schmerzhaft oder als rätselhaft empfinden? Ja, sagt Jesus. Unbedingt und ohne Einschränkung ist das so. Gottes Macht der Liebe ist nicht abhängig davon, ob wir sie so empfinden. Gottes Liebe ist auch dann Liebe, wenn wir das kaum glauben können.
Damit wir es etwas besser glauben können, gibt es die Engel. Engel zeigen Gottes Macht der Liebe. Sie spielen in der Bibel, bei Jesus und bei Paulus, eine wichtige Rolle. Und eine selbstverständliche Rolle. Es gibt sie, davon sind die Erzähler in der Bibel allesamt überzeugt. Sie machen sich weniger Gedanken über das Aussehen der Engel, über ihre Wohnung und wie sie von hier nach da kommen. Das ist Jesus und Paulus nicht wichtig. Ob sie golden sind oder weiß, ob sie Flügel haben und lange Gewänder, ob sie gar durchsichtig sind oder aus Fleisch und Blut wie wir – das alles beschäftigt Jesus und andere überhaupt nicht.
Etwas anderes aber beschäftigt sie sehr. Nämlich dass Engel Gottes Macht der Liebe zeigen. Es gibt da die schöne Erzählung bei Matthäus wie der Teufel zu Jesus kommt und ihn „versucht“, wie der Teufel sich also bemüht und versucht, Jesus von Gottes Willen abzubringen. Der Teufel ist immer der, der nicht an die Macht der Liebe glaubt, sondern an die Macht des Bösen, des Gewaltigen, des Unterdrückenden. Der Teufel verspricht uns immer das Blaue vom Himmel, wenn wir nur seiner Macht glauben und denken: Hauptsache Ich. Dann kannst du, sagt der Teufel, sogar aus Steinen Brot machen; du bist unverwundbar, du kannst die Welt beherrschen und andere mit deinem Willen in die Knie zwingen. Liebe ist überflüssig, sagt immer der Teufel; Hauptsache, du hast die Macht. Dem widerspricht Jesus und sagt: Gott hat die Macht; ihm allein sollst du dienen und ihn anbeten – nicht dich selbst und deinen Willen. Das hört der Teufel nicht so gerne und zieht davon. Nun kommt die Stunde der Engel, denn es heißt: Der Teufel verließ Jesus. Und siehe, da traten die Engel zu Jesus und dienten ihm. Wunderbar.
Der manchmal gesagte Satz zu einem Menschen: „Du bist ein Engel“, könnte vielleicht öfter gesagt werden. Haben sie schon einmal erlebt, dass unvermutet und unerwartet ein lieber Mensch da war, Ihnen Trost, Zuversicht und Hoffnung gegeben hat? Der plötzlich in diesem Moment, in dieser Situation zum Helfer, zur Helferin wurde und Ihnen richtig gut getan hat? Und waren Sie vielleicht selbst schon einmal in dieser Rolle als Mensch, der anderen unaufgefordert zur Seite stand und Gutes bewirkt hat?
Wir können Engeln begegnen und selbst Engel sein. Nicht bewusst, aber angetrieben durch Gottes guten Geist.
Wer sich in Gottes Namen um Liebe bemüht, dem dienen die Engel.
Wer sich in Gottes Namen um Liebe bemüht, kann zum Engel werden.
Amen
Und der Friede Gottes, der größer ist als all unser Verstehen bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen